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"Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende." Oscar Wilde (angeblich)

Schon oft haben diese Worte tröstend auf mich gewirkt. Die Vorstellung, dass am Ende mit Sicherheit alles gut sein wird und ich nur noch ein bisschen durchhalten muss, bis es soweit ist, fand ich schön und hat mir geholfen.

Doch mittlerweile muss ich dem Zitat widersprechen. Leider, denn wie gesagt, ich fand die Vorstellung immer sehr tröstlich, gerade in schwierigen Zeiten. 

Durch meine Erfahrungen die ich durch Yoga, Meditation und Yoga-Philosophie sammeln durfte, hat sich meine Lebenseinstellung in den letzten Jahren verändert und dadurch auch meine Meinung zu dem Zitat. 

 

Warum sich meine Meinung zu dem Zitat verändert hat? 

 

„Am Ende wird alles gut.“ Wieso denn eigentlich erst dann?  Erst dann, wenn alles vorbei ist? Das Ende hört sich für mich so endgültig an. Ist am Lebensende alles gut? Was habe ich dann noch davon? 

 

Oder am Ende der Situation die mich gerade stresst. Wenn die vorbei ist, dann ist alles gut. Was ist aber, wenn dann schon wieder die nächste Herausforderung auf mich wartet? 

 

Der Satz suggeriert, dass in der Zukunft alles gut ist, aber was ist mit dem Jetzt?

 

Wenn wir einen Blick in die yogische Philosophie werfen, dann wird klar, dass es im Yoga genau darum geht: im Moment zu leben. 

 

Im ersten Satz des Yoga Sutra führt Patanjali in die Erfahrung des Yoga ein. 

Dazu benutzt er diese drei Wörter: 

atha = jetzt, nun, Beginn von vielen Erklärungen

yoga = Yoga, Vereinigung, Einheit, Harmonie mit Dir selbst

anuśāsanam = Einführung in die Erfahrung, Wörtl: Erklärung, Auslegung

 

Das erste Wort atha bedeutet JETZT! 

 

Yoga findet im Jetzt statt. Nicht in der Zukunft oder in der Vergangenheit. 

 

Es kann nur im aktuellen Moment erfahren werden.

 

Da fällt mir ein anderes Zitat ein: „all we have is now“ - Wir haben nur das Jetzt. Die Vergangenheit ist vorbei, die Zukunft noch nicht da und wir befinden uns im Jetzt. Eine Aneinanderreihung von einzelnen Momenten, die jetzt gerade stattfinden. Immer wieder von neuem.  

 

So einfach zu sagen und doch so schwer zu erfahren.

 

Wie oft sind wir an einem normalen Tag wohl im Jetzt? Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass ich doch viel zu oft von meinen Gedanken abgelenkt bin. 

 

Mir scheint unser Geist, im Yoga chitta genannt, hat sich zur Aufgabe gemacht, uns hartnäckig vom aktuellen Moment abzulenken. Mit Gedanken an die Vergangenheit, an die Zukunft, mit Gefühlen, Bedürfnissen, Verhaltensmustern usw. 

 

Unzählige Möglichkeiten lässt sich chitta einfallen, um uns vom Jetzt abzulenken. 

 

Aber es gibt sie doch immer wieder, diese Momente, die uns das wunderbare Jetzt erfahren lassen.

 

Ein Moment mit einem besonderen Menschen, ein Erlebnis in der Natur, eine Erfahrung beim Sport, ein Moment tiefer Konzentration beim Yoga – egal ob in der Asanapraxis, beim Üben von Pranayama oder während der Meditation. Ich erlebe es immer wieder und erfahre in diesen Momenten tatsächlich ein Gefühl von Frieden, dieses „alles ist gut“-Gefühl. 

 

Da ich mich viel mit Yoga und Meditation beschäftige, komme ich immer öfter in diese Momente. 

 

Und mir scheint dadurch wird auch das restliche Leben ein Stückchen leichter. Wenn ich es nun vergleiche mit der Zeit, als ich noch mehr von dem oben genannten Zitat geleitet wurde, kommt es mir vor als würde ich nun weniger „kämpfen“. 

 

Damit meine ich, dass ich ganz oft gegen anstrengende oder schwierige Umstände angekämpft habe. Ich wollte sie nicht akzeptieren und dachte mir, wenn das erst vorbei ist, dann ist alles gut.

 

Und ja, manchmal war es auch besser, wenn diese schwierige Zeit vorbei war. Aber in meiner Naivität dachte ich, das dann alles gut bleibt. Und zwar für immer. Hm, das Leben hat mich eines Besseren belehrt, denn es kamen immer wieder neue Herausforderungen auf mich zu. 

 

Und kann denn wirklich alles gut sein? Gibt es nicht immer im Leben irgendwo noch eine Baustelle? 

 

Was ich nun für mich daraus gelernt habe ist zu versuchen, die Situation mehr so anzunehmen wie sie ist. Zu akzeptieren und den Kampf dagegen aufzugeben, loszulassen. Und dann aus dieser Akzeptanz und einem hoffentlich entspannteren Gefühl heraus, an der Sache arbeiten. 

 

Nach wie vor finde ich das oft nicht leicht, doch was mir dabei immer wieder aufs Neue hilft, ist meine Yogapraxis. 

 

Kennst du die Situationen, über die ich hier schreibe auch so gut? Wenn du wissen willst, wie Asana, Pranayama und Meditation dabei helfen können, weniger im Außen zu sein und uns mehr auf den aktuellen Moment zu fokussieren, dann besuche gerne eine unserer Yogaklassen

Hier findest du Meditationen und Entspannungen für zu Hause die dir dabei helfen können ins Jetzt zu kommen. 

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Kommentare: 5
  • #1

    Marc (Sonntag, 20 Dezember 2020 19:04)

    "Alles wird gut." ist tatsächlich ein zweischneidiger Wunsch.
    Und natürlich hast du Recht, wenn du schreibst, dass es den meisten Menschen nicht gelingt, die Vergangenheit und die Zukunft auszublenden. Natürlich hast du Recht, wenn du schreibst, dass es den meisten Menschen nicht immer gelingt, das Jetzt so wahrzunehmen, wie es das verdient. Aber dass du diese beiden Binsenweisheiten miteinander verknüpfst, halte ich für falsch. Nehmen wir doch einmal das anstehende Weihnachtsfest. Es wäre schade, wenn man dieses Fest nicht in dem Moment als besonderen Moment wahrnimmt, wenn es gefeiert wird. Aber es ist ein Teil des Festes, dass man sich an die Vergangenheit erinnert, diese in das aktuelle Erleben integriert und mit dem Jetzt verknüpft. Und auch die Zukunft darf und soll ein Teil des Jetzt sein. Ohne Vergangenheit wären wir nicht diejenigen, die wir sind. Ohne Blick auf die Zukunft sind wir ziellos.

  • #2

    Katja (Montag, 21 Dezember 2020 11:49)

    Lieber Marc!
    Vielen Dank für deinen Kommentar! Ich freue mich sehr über eine Diskussion!
    Ich finde es schön dass du sagst die Vergangenheit und die Zukunft sind ein Teil von uns. Auf jeden Fall! Sie sind immer Teil unseres Lebens und auch sehr wichtig. Aber ich habe mir sehr oft die Zukunft herbei gesehnt weil es dann "besser" oder "leichter" wird. Dadurch habe ich vergessen wie wichtig es ist den aktuellen Moment so anzunehmen wie er ist. Mich mit dem auseinander zu setzten was gerade ist. Denn das ist der Zeitpunkt den ich beeinflussen kann. Die Vergangenheit kann ich nicht mehr ändern, und die Zukunft kann ich nur im jetzigen Augenblick ändern.
    Gerade an Weihnachten ist es schön sich an vergangene Feste zu erinnern oder auch Pläne für die Zukunft zu schmieden!! Was ich aber versuche zu vermeiden wäre gegen das aktuelle Fest anzukämpfen weil die Situation gerade schwierig ist. Mich z.B. zum letzten Jahr zurück zu sehnen oder nicht erwarten zu können bis alles wieder "normal" ist. Mein Ziel ist es mich der jetzigen Situation hinzugeben mit allem was dazu gehört.

  • #3

    Hi (Mittwoch, 27 Januar 2021 13:55)

    Hi

  • #4

    Philipp (Samstag, 18 Dezember 2021 07:10)

    Ich beshäftige mich gerade intensiv mit der Weihnachtsgeschichte. Und da passt das Zitat sehr gut.

    Für mich hat das Zitat eine Ewigkeitsbedeutung. Jesus kam auf die unperfekte Welt zu uns unperfekten Menschen, damit wir ewig leben können und wenn wir dann mal diese Welt hier unten verlassen, wo nie alles gut ist und es viel Leid, Ängste und Nöte gibt, dürfen wir bei Gott sein, wo es all dieses Leid nicht mehr gibt.

    Das ist für mich Weihnachten. Wenn rundherum alles schief läuft, aber weil Jesus bei mir ist und im Zentrum meiner Lebensgeschichte steht, kommt es gut und ich habe keine Angst im Hier und jetzt und mache mir auch keine Sorgen um die Zukunft.

    In Johannes 3,16 steht:
    Denn so [sehr] hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengeht, sondern ewiges Leben hat.

    Ich wünsche Ihnen und allen die das Lesen - ein schönes Leben da auf Erden und noch viel mehr ewiges Leben bei Gott.


  • #5

    Kieren (Mittwoch, 22 Dezember 2021 11:33)

    Stimmt, der Satz macht nur Sinn, wenn es eine gute Ewigkeitsperspektive gibt...